Das Kleine Leben
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Mein Blick ist getrübt
So nah bei den Flammen, dass ich kaum mehr etwas erkenne
Vor den Toren der Stadt gellen Schreie durch die Nacht
So grell, so schmerzerfüllt, dass der Wind sie trägt
Bis hierher zu mir, wo meine Seele gefriert
Das Dunkel erfüllt von starrer Bewegung
Fackeln, brennendes Pech zerreißt den Schleier der Nacht
Das Klappern der Leichenkarren kommt näher und näher
Vermummte Gestalten sammeln ein, was der Tod ihnen bringt
Der weiße Schnee, als Kontrast zu verkrampften Gliedern
Reinheit wie Seide, darauf geronnenes Blut
Zerplatzte Haut, Fetzen von Körpern
Blicklose Augen in gefrorenen Höhlen
Anklagend, flehend, ohne Spur von Leben
Draußen vor den Toren brennen Leichenfeuer
Geschundene Körper im letzten Geleit
Manche von ihnen sind nicht ganz vergangen
Doch die Flammen beenden, was die Pest begann
Doch die Flammen beenden, was die Pest begann
Sie bewachen die Stadt mit finsterer Mine
Wer hinein will, verliert sein Leben durch den Lanzenstich
Einzig die Totensammler haben freies Geleit
Was sie nach draußen bringen, fällt der Glut anheim
Der Tod jedoch schleicht unaufhaltsam durch die Straßen der Stadt
Noch reichlich Futter vorhanden, das zu holen er hat
Kein Unterschied der Stände zu erkennen in den leblosen Fratzen
Im Sterben vereint sind sie alle sich gleich
Ob reicher Lehnsherr, ob armseliger Bauer
Die Pest ist nicht wählerisch, wen sie zu sich nimmt
Die Plage weilt unter uns allen
Und keine Hoffnung mehr, die die Seele befreit
Gehetzt voller Furcht untersuche ich meinen Leib
Bald tausend Male, den ganzen Tag
Noch keine Anzeigen des schwarzen Grauens
Nur eine Frage der Zeit, bis der Tod sich zeigt
Meine Familie ist bereits von mir gegangen
Vor wenigen Tagen, als der Schnitter sie rief
Die Leichen brannten mit den anderen
Die Asche im Wind ist, was von ihnen blieb
Gott weilt nicht länger unter uns Menschen
Hier zeigt sich, wo seine Macht versagt
Einzig Sterben und Grauen und Furcht
Sind die neuen Herren, deren Macht ungebrochen und stark
Ich will nicht länger verweilen
Hier drinnen, wo Gram die Mauern durchdringt
Ich muss nach draußen, in die klirrende Kälte
Die Schreie der Sterbenden Begleiter auf meinem Weg
Frost brennt in rotgeränderten Augen
Ein kalter Hauch, der in den Haaren spielt
Die Schritte unsicher, weil kein Weg sich mir zeigt
Und dennoch, unbeirrt nähere ich mich den Wällen der Stadt
Ein Pestkarren begegnet mir, verwaist und verlassen
Tote stapeln sich weit in die Nacht empor
Der Fahrer im Schnee ohne ein Zeichen von Leben
Ein weiteres Opfer, kein Grund um länger zu verweilen
Wie unter Zwang verlasse ich den Ort
Die Schatten nutzend, vor den Blicken der Wächter verborgen
Einzig Spuren im Schnee bezeugen meine Gegenwart
Ein stummer Ruf hat längst meiner sich bemächtigt
Und nichts kann mich halten, ihm Folge zu leisten
Längst liegt die Stadt hinter mir
Eiseskälte erfüllt mich bis ins Mark
Doch mein Weg führt weiter hinaus in die Nacht
Der Ruf leitet mich sicher an mein Ziel
Dann steht sie vor mir, in verblichenen Leinen
Die Haut blau erfroren, wie abgestorben
Ihre Schönheit jedoch kann dies nicht mindern
Nur die Beulen leuchten im fahlen Licht
Unverkennbar - sie ist ein Kind der Seuche
Doch genügend Leben in ihr um mich zu versuchen
Ihr sündiger Leib, eine einzige Verheißung
Der ich nicht mehr lang widerstehen kann
Sie kommt näher, ihre Lippen finden meine
Wie im Wahnsinn erwider ich diesen Kuss
Dann sinken wir nieder auf den frostigen Boden
Unsre Körper verschmelzen ein einziges Mal
Als wir uns trennen ist ihr Leben beendet
Starr ist ihr Körper, wie der Boden unter ihr
Ihre Lippen verzerrt zu wissendem Lächeln
Denn nun ist es an mir, die Pest zu verbreiten
Nun bin ich ihr Bote und ein Teil von ihr
So lange bis es endet, mein kleines Leben
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